Gefühle und andere Katastrophen. Roman by Hera Lind

Gefühle und andere Katastrophen. Roman by Hera Lind

Autor:Hera Lind [Lind, Hera]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: eBooks, Weihnachten, Weihnachtsbraeuche, Kreuzfahrt, Romantik, Liebe, Humor, Chor, Festtag
ISBN: 978-3-95824-428-3
Herausgeber: dotbooks
veröffentlicht: 2015-12-26T16:00:00+00:00


***

»Das Kind Ihres Mannes ist jetzt also zehn Jahre alt«, stellte der Kapitän fest, während er neben ihr herging.

»Ja.« Linda senkte den Kopf und fühlte, wie das Blut in ihren Wangen pulsierte. Der Kapitän hatte noch nie, niemals eine private Bemerkung an sie gerichtet, abgesehen von dem hingeworfenen morgendlichen »How are you?«, das in amerikanischen Firmen zum Umgangston gehörte und keineswegs von ehrlichem Interesse zeugte. Niemand wollte wirklich wissen, wie es einem ging. Doch dieser Abend hatte eine Schleuse geöffnet. Nein, sie hatte das getan, als sie versucht hatte, das steife Essen zu einem für alle Beteiligten angenehmen Miteinander zu machen. Was eine einzige Frage alles auslösen konnte!

Ein großes Herz, fielen ihr die Worte von Ulyana wieder ein. Dabei hatte sie sich doch bisher immer so gut hinter dem Schutzwall der Uniform, des festgetackerten Entertainer-Lächelns und der stets perfekten Bespaßungs-Maschinerie getarnt!

»Wissen Sie, ich … ich habe auch eine Tochter aus einer flüchtigen Beziehung.« Der Kapitän schien nun seinerseits nicht genau zu wissen, wie ihm geschah und warum er eine solche Offenheit an den Tag legte. »Damals habe ich meiner Frau sehr weh getan. Die Ehe ist daran zerbrochen.« Er öffnete mit gekonntem Schwung eine Außentür, und plötzlich standen sie draußen auf Deck sieben. Samtweiche Abendluft streichelte Lindas aufgewühltes Gemüt, und die Wellen plätscherten beruhigend. Sie sog begierig die warme Salzluft ein. Unzählige Sterne leuchteten und blinkten zu ihnen herab.

»Das hätten Sie sich vielleicht überlegen sollen, bevor Sie Ihren Reißverschluss im falschen Schlafzimmer aufgemacht haben.« Die Bemerkung war so schnell über Lindas Lippen geschlüpft, dass sie keine Chance mehr hatte, sie höflich hinunterzuschlucken.

Delon hob die Hände. »Sie schießen scharf, Madame.«

»Sie … äh … offensichtlich auch.«

Nun lachte der Kapitän.

»Aber immerhin muss man mir zugutehalten, dass ich nie einen … wie war das noch mal … einen Gewaltspritzer verschenkt habe.«

»Druckreiniger.« Linda musste lachen. »Nun gut. In der Regel für den Angeklagten.«

Der Kapitän blieb stehen und legte ihr beide Hände auf die Schultern. »Es war sehr mutig von Ihnen, das alles zu erzählen. Ich würde … Nun, ich würde gerne mehr von Ihnen erfahren. Und ich würde mich freuen, wenn Sie mich auch besser kennenlernen wollen würden.«

»Oh!« Nervös trat Linda von einem Fuß auf den anderen. Emotionale Extremsituation. Großhirn an Kleinhirn: Wir brauchen ein Ablenkungsmanöver, und zwar pronto! »Ich muss gleich die Show ansagen.«

»Ich weiß. Aber ohne Sie und mich fängt sie nicht an, oder?«

»Nein ...« Verdammt, wo der Mann recht hatte, hatte er recht. Und jetzt schien sich das Mondlicht auch noch in seinen Silberschläfen zu spiegeln. Das wurde ja immer schlimmer! Oder besser. Vermutlich beides?

»Linda, ich weiß, wie sehr Sie sich zusammenreißen. Tausendmal habe ich mich insgeheim gefragt, was Ihre Seele wohl so verletzt hat, dass Sie sich hinter dieser lächelnden Maske verstecken. Jetzt weiß ich es.«

Linda verknotete nervös die Hände und fühlte, wie der Fahrtwind ihr Haar zerzauste. Das muss ich gleich vor dem Auftritt noch richten, dachte sie fahrig.

»Ich konnte mich nie richtig bei meiner Frau entschuldigen für das, was ich ihr angetan habe.« Der Kapitän trat an die Reling und blickte in den Sternenhimmel.



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